Universität Bonn

Celtic Studies

Rudolf Thurneysen (1857–1940) -Ehrenvater der Bonner Keltologie

(Eduard) Rudolf Thurneysen wurde am 14. März 1857 in Basel geboren und starb am 9. August 1940 in Bonn. Er war ein ursprünglich Schweizer Sprachwissenschaftler, der aber ausschließlich außerhalb seines Herkunftlandes lehrte. 

Nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums und des Paedagogicums studierte er Romanistik, Klassische Philologie und später auch Keltische Philologie. Zunächst in Basel (1875–76), dann bis Sommer 1878 an der Universität Leipzig. Das Wintersemester 1878/79 verbrachte er in Berlin. 

Zu Thurneysens zahlreichen Lehrern gehörten im Bereich der keltischen Philologie u. a. Heinrich Zimmer (*1851 Kastellaun, †1910 Hahnenklee/Harz) und Ernst Windisch (*1844 Dresden, †1918 Dresden). 

Am 8. August 1879 wurde Rudolf Thurneysen mit magna cum laude in den Fächern Vergleichende Grammatik, Latein und Sanskrit promoviert. Im November 1879 ging Thurneysen für die Vorlesungen von Henri Gaidoz (*1842, †1932) nach Paris. Er blieb dort bis August 1880, um seine keltologischen Studien zu vertiefen. 

Am 4. Mai 1882 habilitierte sich Rudolf Thurneysen in Jena und erhielt im Anschluss daran einen Lehrauftrag als Privatdozent für Romanische und Keltische Philologie. Am 31. Juli 1884 wurde er in Jena zum außerordentlichen Professor in diesen Fächern ernannt. 

Im Jahr 1887 erfolgte ein Ruf an die Universität Freiburg im Breisgau, wo durch den Weggang von Karl Brugmann (*1849 Wiesbaden, †1919 Leipzig) nach Leipzig der Lehrstuhl für vergleichende Sprachwissenschaft vakant geworden war. Thurneysen hatte den Freiburger Lehrstuhl für rund 25 Jahre inne. 

Portrait_Rudolf_Thurneysen.jpg
© Keltologie Bonn

Von seiner Tätigkeit zeugt in Freiburg eine gut ausgestattete keltologische und indogermanistische Bibliothek. Im Jahre 1904 wurde Thurneysen Rektor der Universität Freiburg. Zu seinen Schülern gehörte z. B. in den Jahren 1905 bis 1906 der später bekannte irische Keltologe Osborn Bergin (*1873 Cork, †1950). Thurneysens Lehrtätigkeit führte ihn auch nach Irland an die School of Irish Learning. 

Im November 1908 lehnte Thurneysen einen Ruf nach München an das Indogermanische (Sprachwissenschaftliche) Seminar ab. Er folgte aber im Oktober 1912 einem Ruf an die Universität Bonn als außerordentlicher Professor für Indogermanische Sprachwissenschaft und als Leiter des Sprachwissenschaftlichen Instituts. Diese Stelle trat er am 1. April 1913 an. Im Jahr 1922 wurde er Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn. 

Nach rund 11 Jahren in Bonn wurde er auf eigenen Wunsch am 30. September 1923 emeritiert. Sein Nachfolger wurde Ferdinand Sommer (*1875 Trier, †1962). Aber auch nach seiner Emeritierung blieb Rudolf Thurneysen auf dem Gebiet der keltischen Literaturen, Philologien und besonders des irischen Rechts aktiv. Für seine Errungenschaften in der Erforschung des irischen Rechts bekam er 1925 den Dr. stud. celt. der National University of Ireland in Dublin verliehen sowie den Ehrendoktor der Juristischen Fakultät der Universität Bonn. Im Jahr 1929 wurde er zudem mit dem Dr. litt. celt. h.c. des University College Belfast geehrt. Am 9. August 1940 verstarb Rudolf Thurneysen in Bonn. Sein Grab auf dem Poppelsdorfer Friedhof in Bonn liegt im Gräberfeldbereich XXXIV am oberen rechten Rand. Der Name einer zweiten Person findet sich auf einem beigelegten Stein: "Edelgard John“, die von 1921 bis 2012 gelebt hat. Es ist eine seiner Enkelinnrn, nämlich die Tochter von Marianne John, geb. Thurneysen (* 5.12.1897, † 1946 in Russland). 

Rudolf Thurneysen ist einer der bedeutendsten Keltologen weltweit. Seine Forschungsfelder umfassten Romanistik, Indogermanistik, keltische Literaturen, Philologie (insbesondere des Altirischen) und ab 1921 zunehmend auch das irische Recht und Rechtsgeschichte. Ohne Thurneysens Wirken ist das Fach Keltologie kaum denkbar.

Dr. Gisbert Hemprich, November 2023.

Grab_Rudolf_Thurneysen_Poppelsdorf_Bonn.jpg
© Keltologie Bonn

Zu den noch heute grundlegenden Werken der Keltologie zählen u. a. das Handbuch des Altirischen (Heidelberg 1909), ergänzt und ins Englische übersetzt als A Grammar of Old Irish (Dublin 1946), und Die Irische Helden- und Königsage bis zum siebzehnten Jahrhundert (Halle 1921). 

Viele seiner Artikel, mit Ausnahme der in der Zeitschrift für Celtische Philologie veröffentlichten, sind bequem zugänglich im dreibändigen Sammelband Rudolf Thurneysen. Gesammelte Schriften, hg. von Patrizia de Bernardo Stempel und Rolf Ködderitzsch (Tübingen 1991). 

Zu seinen bedeutendsten Übesetzungen aus dem Irischen zählen u. a. die Sagen aus dem alten Irland (Berlin 1901). 

Von seinen Forschungen auf dem Gebiet des irischen Rechts sind die wichtigsten Werke Die Bürgschaft im irischen Recht (Berlin 1928) und Cóic conara fugill: Die fünf Wege zum Urteil. Ein altirischer Rechtstext, APAW 1925, phil.-hist. Kl. 7 (Berlin 1926), cf. Gesammelte Schriften Bd. III, 3 ff.

 Eine „Bibliographie der wissenschaftlichen Veröffentlichungen Rudolf Thurneysens“ ist zu finden in den obengenannten Gesammelten Schriften, Bd. I, xxv–xliv. Zuvor auch von Anne Heiermeier: „Bibliographie der wissenschaftlichen Veröffentlichungen Rudolf Thurneysens“. In: Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Keltische Studien 10 (Halle/Saale 1942).

Knoch, August: „Rudolf Thurneysen zum Gedächtnis“. In: Indogermanisches Jahrbuch 25 (1942), 372–85. 

Weisgerber, Leo: „Zum 70. Geburtstag Rudolf Thurneysens”. In: Indogermanisches Jahrbuch 2 (1927), 554–61. 

Tristram, Hildegard L. C.: „Eduard Rudolf Thurneysen (1857–1940): A Biographical Essay“. In: Dictionary of Medieval Scholarship. Biographical Studies on the Formation of a Discipline, hg. von Helen Damico, Donald Fennema und Karmen Lenz. San Francisco (Garland) 1998, 201–213. 

Lerchenmüller, Joachim: „Thurneysen, Rudolf“. In: Deutsche Biographische Enzyklopädie, hg. von Rudolf Vierhaus, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Bd. 10: (Berlin 2008), 31. 

Die „Geschichte der Romanistik an der Universität Jena“ von Herbert Koch. Eine um Professoren-Porträts und ein Schriftenverzeichnis Kochs ergänzte Edition, hg. Christian Faludi und Joachim Hendel = Quellen und Beiträge zur Geschichte der Universität Jena, Bd. 14 (Stuttgart 2019).

Wird geladen